Quelle: neues deutschland, 1.4.2014
Auf einer Konferenz sucht die antifaschistische Bewegung neue Perspektiven
Die Antifa will künftig stärker Flüchtlingsproteste unterstützen und neue rechtspopulistische Parteien beleuchten. Auf der Konferenz »Antifa in der Krise« sollen Strategien besprochen werden.
Antifaaktivisten haben einen festen Termin in ihrem Kalender stehen: Der 13. Februar ist der Jahrestag der Luftangriffe der Alliierten im Zweiten Weltkrieg auf Dresden. Tausende Neonazis ziehen am Tag selbst und am Wochenende danach bei Trauermärschen und anderen Großveranstaltungen durch die Stadt. Seit Jahren treten ihnen dabei Antifaaktivisten entgegen. Nachdem sie den Aufmarsch am Wochenende mehrere Jahre hintereinander erfolgreich blockiert haben, verzichten die Rechten seit 2012 von vorn herein auf die Veranstaltung. In diesem Jahr sagten die Nazis dann auch den Fackelmarsch kurzfristig ab. Stattdessen verlegten sie sich auf mehrere kleinere Veranstaltungen am Vortag und am Tag selbst. Silvio Lang, Sprecher des Bündnisses »Dresden nazifrei«, sprach daraufhin von einem »guten Tag für Dresden«.
Die Antifa hat es in den vergangenen Jahren geschafft, mehrere Großaufmärsche von Nazis dauerhaft zu verhindern. Blockaden sind gar nicht mehr notwendig, weil die Rechten einfach ganz auf die Veranstaltungen verzichten. Das ist auf der einen Seite ein großer Erfolg für die Bewegung. Auf der anderen Seite ist der Antifa damit ein wichtiges Aktionsfeld verlorengegangen. Was zynisch klingt, hat in der Szene eine Debatte über den Zustand und die Perspektiven der antifaschistischen Bewegung ausgelöst. Auf dem Kongress »Antifa in der Krise?« vom 11. bis 13. April in der Technischen Universität Berlin soll deshalb darüber diskutiert werden, wo die Bewegung steht, welche Aktionsfelder sie neu erschließen will und welche Aktionsformen dafür notwendig sind. Ausgerichtet wird der Kongress unter anderem von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Interventionistischen Linken.
Die Debatte im Vorfeld hat bereits zwei Bereiche aufgezeigt, in denen sich verschiedene antifaschistische Gruppen schon jetzt engagieren und in Zukunft stärker tätig werden wollen: Das sind zum einen die Abwehr von Angriffen auf Flüchtlingswohnheime und die Unterstützung von Flüchtlingskämpfen. Zum anderen ist es die Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Parteien wie die Alternative für Deutschland (AfD) und das Sichtbarmachen ihrer Strukturen und Verbindungen nach Rechtsaußen.
»Die NPD versucht, aus ihrer desolaten Situation durch die von ihr vielfach gesteuerten Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte herauszukommen. Mit der Alternative für Deutschland ist ein Parteiprojekt entstanden, in dem sich marktradikale Eurogegner*innen bis hin zu extrem rechten Kräften sammeln«, heißt es dazu in der Ankündigung zum Kongress. Doch auch in anderen Parteien und politischen Diskursen werden immer wieder Ressentiments und rassistische Vorurteile laut. So zum Beispiel bei der CSU-Forderung für eine Autobahnmaut für Pkw aus dem Ausland oder bei der Debatte um die kaum existenten Armutsmigranten und die Ankündigung der Großen Koalition, Sozialleistungen für EU-Einwanderer weiter einschränken zu wollen.
Viele Antifaaktivisten fordern daher, das antifaschistische Wirken nicht nur auf »Antinaziarbeit« zu beschränken, sondern den Aktionsradius zu erweitern: eine stärkere Fokussierung auf die »soziale Frage«, alternative Deutungsangebote für die Ursachen der Wirtschaftskrise und beispielsweise eine verstärkte Beteiligung an den Krisenprotesten des Blockupy-Bündnisses.
Da gerade die Auswirkungen der Wirtschaftskrise nicht vor Staatsgrenzen Halt machen und sich in verschiedenen Ländern ähnlich verhalten, legen die Veranstalter der Konferenz Wert auf einen Erfahrungsaustausch mit Aktivisten aus anderen europäischen Staaten. Die Konferenz ist daher explizit international ausgerichtet und behandelt neben den Protesten zum Flüchtlingswohnheim in Berlin-Hellersdorf im vergangenen Herbst auch den Rechtsruck in Dänemark, die extreme Rechte in Spanien und Polen, Antiziganismus in Tschechien, steigende homophobe Tendenzen in Frankreich und den Aufstieg der rechtspopulistischen Partei Goldene Morgenröte in Griechenland.