Quelle: jW, 2.4.2014
Kongreß in Berlin zur Zukunft der antifaschistischen Bewegung
Von Florian Osuch
Den antifaschistischen Bewegungen in Europa kann angesichts der jüngsten Ereignisse Angst und Bange werden. In der Ukraine wurden mit dem Putsch Faschisten in Ministerämter gespült, und Nazibanden patrouillieren durch Kiew. In Frankreich regiert der Front National jetzt in 15 Städten, darunter in Béziers im Süden des Landes (72000 Einwohner) und in Fréjus an der Côte d’Azur (50000 Einwohner). In Lettland marschierten Mitte März erneut Veteranen und Sympathisanten der früheren Waffen-SS-Divisionen auf, und aus Spanien wurde am Sonnabend gemeldet, die Rechtspartei »España 2000« habe in Valencia kostenlos Lebensmittel an Bedürftige verteilt – nur an Spanier versteht sich.
Was tun angesichts dieser Lage? Dieser Frage wollen Linke auf einer Konferenz vom 11. bis 13. April in Berlin nachgehen. »Überall in Europa nutzen neofaschistische und rechtspopulistische Parteien die aktuelle Situation zur Neugruppierung ihrer Kräfte«, sagte ein Sprecher vom Organisationsteam gegenüber junge Welt. Anlaß genug, über Gegenstrategien zu beraten.
In Deutschland waren es zunächst die »Republikaner« und die DVU, später vor allem die NPD, die das äußerst rechte Wählerpotential abschöpften. Doch die NPD ist pleite und von inneren Zerwürfnissen zerrüttet. Gefahr droht von der »Alternative für Deutschland« (AfD). Die hat zwar mit Neonazis nichts zu tun, agiert jedoch rechtspopulistisch und nationalistisch. Ihr Einzug ins EU-Parlament am 25. Mai gilt als sicher. Abzuwarten bleibt, ob sich Parteichef Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel (Listenplätze eins und zwei) entscheiden, ins offen rechte Lager zu wechseln. Möglicher Partner wäre das Bündnis um den »Front National« und die niederländische »Partei für die Freiheit«, dem sich bereits der »Vlaams Belang« (Belgien), die »Lega Nord« aus Italien, die österreichische FPÖ sowie die »Schwedendemokraten« angeschlossen haben.
Die Situation in Europa nimmt auf der Konferenz in Berlin eine besondere Rolle ein. Zwar sind die Staaten unterschiedlich stark von Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Verelendung betroffen – Rassismus, Nazigewalt, Haß auf Flüchtlinge und Verfolgung von Roma gibt es jedoch überall. In diesem Zusammenhang müssen auch die Massendemonstrationen in Spanien für eine Verschärfung des Abtreibungsrechts oder in Paris gegen die Homoehe gesehen werden.
In der Bundesrepublik bereitete die Antifabewegung den Neonazis mit der Verhinderung der Aufmärsche in Dresden eine schwere Niederlage. Gleichzeitig sehen sich vielerorts Rechte durch Mobilisierungen gegen Flüchtlinge im Aufwind, wie in Berlin oder Duisburg. Lars Laumeyer von der Antifaschistischen Linke Berlin betonte gegenüber junge Welt: »Solidarität mit Geflüchteten und deren Kämpfen ist enorm wichtig. Antifa darf auch nicht bei der NPD oder den Nazikameradschaften stehen bleiben, sondern muß sich mit den Mechanismen der Ausgrenzung im Kapitalismus beschäftigen.«
Drei Tage soll auf Podien und in Workshops über den Stand und die Zukunft der Bewegung debattiert werden. Teilnehmer aus der ganzen Republik werden erwartet. Diskutiert werden Themen wie »NSU und Antifa«, die Situation auf dem Land, Geschichtspolitik, Jugendarbeit, Feminismus und Selbstorganisierung von Flüchtlingen. Gäste aus ganz Europa sind als Referenten eingeladen. Nils Bornstedt, Sprecher der Antifaschistischen Linke Freiburg sagte junge Welt: »Bundes- oder europaweiter Austausch zwischen Antifaschisten findet leider viel zu selten statt.« Bornstedt ist überzeugt, daß er »trotz verschiedener Ausgangslagen und regional spezifischen Gegebenheiten Impulse für seine Arbeit vor Ort« erhält.
Angekündigt hat sich auch die Göttinger Gruppe Antifaschistische Linke International, die die Bewegung an einem »Scheidepunkt der Geschichte« sieht. In absehbarer Zeit werden »auch die letzten der Opfer des Faschismus verstorben sein und somit deren authentische Deutungshoheit wegfallen«, sagte eine Sprecherin gegenüber junge Welt. Sie erwarte eine Forcierung der Extremismustheorie basierend auf der Doktrin der »Zwei-Diktaturen-in-Deutschland« und dementsprechend auch Versuche der Delegitimierung der Antifabewegung.
Veranstalter der Konferenz ist die Interventionistische Linke (IL), ein Zusammenschluß linker Gruppen aus der Bundesrepublik und Österreich. Die IL wird bundesweit mit Großmobilisierungen wie Blockupy, »Castor Schottern« und der Verhinderung des Naziaufmarsches in Dresden in Verbindung gebracht.