Quelle: taz.plan, 10.4.2014
Die antifaschistische Bewegung sucht einen gemeinsamen Standpunkt und Strategien gegen den Rechtsruck in Europa – auf einem internationalen Kongress in Berlin
INTERVIEW LUKAS DUBRO
taz: In vielen Ländern Europas sind Rechtspopulisten und Neonazis auf dem Vormarsch, in der Ukraine sitzen sie sogar mit in der Regierung – droht Europa nach rechts zu kippen?
Henning Obens: Die Befürchtung ist da – und das nicht erst seit dem Wahlerfolg von Marine Le Pen in Frankreich. Es ist offensichtlich, dass nicht nur in der Peripherie und in den Krisenländern faschistische, militante Gruppen erstarken. Sondern auch in sehr vielen Ländern Westeuropas. Dort sind es vor allem rechtspopulistische, antimuslimische und rassistische Gruppen. Das alles ist Ausdruck einer sozialen Tendenz in Europa. Wie EU-Studien belegen, ist der Rassismus auf dem Kontinent in der Krise deutlich angestiegen. Wir wollen auf unserer Konferenz darüber diskutieren und schauen, was für Gegenmittel es gibt.
Was sind Gründe für diese Tendenz?
Zum einen sicherlich die ökonomische Verarmung, die durch die Krise ausgelöst wurde. Aber auch kulturell aufgeladene Ressentiments und die konservativen Gegenbewegungen gegen gesellschaftliche Neuerungen wie die gleichgeschlechtliche Ehe spielen eine Rolle. Wir wollen deutlich machen, dass auch Konservative offen rassistische Stimmung geschürt haben. Ob nun in Frankreich, Griechenland, Spanien oder in Deutschland mit der CSU.
Welche Rolle kommt der antifaschistischen Bewegung zu? Was sollte man als Antifaschist dagegen tun?
Eine Pauschallösung haben wir nicht in petto. Es ist allerdings wichtig, eigene, solidarische und klassenkämpferische Alternativen gegen die Parolen von rechts anzubieten. Das gelingt allerdings nur, wenn man an der Wurzel ansetzt, nämlich da, wo soziale Verunsicherungen vorherrschen. Dafür ist es jedoch notwendig, dass man nach Lösungen sucht. Die Antifa-Bewegung muss sich erst einmal über verschiedene Analysen und Einschätzungen erfolgreicher Interventionen verständigen, um dann zu schauen, was getan werden kann. Und so ist es Ziel der Konferenz, diesen Austausch und die Vernetzung zu verstärken.
Aber gibt es eine klare Alternative? Liegt das Problem nicht gerade darin, dass die radikale Linke keine generelle Kritik an der Struktur der EU formuliert. Zurzeit läuft die Diskussion ja nur zwischen zwei Polen ab: „zurück zum Nationalstaat“ oder voran zum „zentralistischen Einheitsstaat Europa“. Sind da keine Alternativen denkbar?
Ein konkretes Modell gibt es nicht, in Südeuropa wird viel über einen „konstituierenden Prozess“ von unten diskutiert. Wir konzentrieren uns gerade darauf, eine Debatte zu suchen und die Vernetzung der sozialen Bewegungen voranzutreiben, schließlich ist die Gegenseite schon sehr gut vernetzt. Ein einfaches „zurück zum Nationalstaat“ kann es nicht geben. Die neoliberale, bürokratische und undemokratische Verfasstheit der EU ist jedoch schwer zu verändern.
Gibt es denn Ansätze, europaweit aktiv zu werden?
Ja, zeitgleich zu unserer Konferenz findet ein ähnliches Treffen in Griechenland statt, von wo aus die Idee kam, einen europaweiten Antifa-Aktionstag im Herbst zu machen. Wir denken, dass so etwas sinnvoll sein kann, wenn es sich auch an den lokalen Problemen orientiert.
Nun suggeriert der Titel der Konferenz, dass es nicht nur um mögliche Strategien im Umgang mit der Eurokrise geht. Auch die Antifa-Bewegung selbst soll ein Thema sein. Steckt die deutsche Bewegung in der Krise?
Das ist richtig. Das zeigt sich an verschiedenen Punkten: In der Auseinandersetzung über den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ist es der Antifa nicht gelungen, überregional in die Debatte einzugreifen, obwohl viele Prognosen hier bestätigt wurden. Nämlich dass die Nazis militant und gewalttätig sind. Dennoch befand man sich in einer Schockstarre. Dann gibt es keine gemeinsamen Strategien im Umgang mit einer neuen Dimension von Rassismus in Deutschland, die sich in den Protesten gegen die Flüchtlingsheime und der Partei Alternative für Deutschland manifestiert. Danach muss gesucht werden. Und natürlich gibt es auch keine Antworten auf die Frage, wie man damit umgeht, dass es kaum neue Jugend-Antifa-Gruppen gibt, während die Antira- und Recht-auf-Stadtbewegungen großen Zulauf haben? Was sind Antifa-immanente Ursachen, die wir diskutieren und dann abstellen können beziehungsweise müssen?
Es gibt also viele Fragen zu klären.
Genau. Die Antifa-Bewegung hat schon lange nicht mehr überregional miteinander gesprochen, am Wochenende haben wir die Möglichkeit, die Debatte auch mit AktivistInnen aus elf europäischen Ländern zu führen. Der Kongress bietet mit zwei Panels, 25 Workshops viel Raum dazu, ein Blick ins Programm lohnt sich also.
Richtet sich der Kongress dann nur an aktive Antifaschisten?
Nein. Alle, die antirassistische und antifaschistische Debatten voranbringen wollen, können gern vorbeikommen.
Henning Obens, 34, Antifa-Aktivist in der Interventionistischen Linken (IL). Die IL ist Initiatorin des Antifa-Kongresses. (www.dazwischengehen.org)
Antifa-Kongress
Eingeladen zu dem Kongress haben verschiedene linke Gruppen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern sowie die Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Wann? 11. bis 13. April
Wo? TU, Architekturgebäude, Straße des 17. Juni 152
Das Programm im Netz: www.antifa-kongress.org