»Ein bundesweiter Austausch ist leider viel zu selten«

Quelle: junge Welt, 11.4.2014

Freiburger Antifaschisten fahren am Wochenende zu einer internationalen Konferenz nach Berlin. Ein Gespräch mit Nils Bornstedt

Interview: Florian Osuch

Nils Bornstedt ist aktiv bei der Antifaschistischen Linken Freiburg

Sie fahren am Wochenende nach Berlin zum Kongreß »Antifa in der Krise«. Vor welchen Herausforderungen steht die Antifabewegung in Deutschland und Europa?

Gegenwärtig sehen wir uns mit verschiedenen Entwicklungen konfrontiert. Die rechtspopulistische »Alternative für Deutschland« und ihre Erfolgsaussichten bei der Europawahl im Mai zählen dazu. Die Einordnung der AfD ist nach wie vor schwierig, sie unterscheidet sich in ihrer heterogenen Programmatik von der faschistischen NPD, ist aber dennoch gefährlich und nicht zu unterschätzen.

Ebenso gibt es auch europaweit bedenkliche Entwicklungen: In Frankreich kam es im letzten Jahr zum Mord an Clement Meric, es gab homophobe Proteste klerikaler und rechter Gruppierungen. Erst kürzlich konnte der Front National bei den französischen Kommunalwahlen enorme Erfolge verbuchen. In Griechenland ist eine neofaschistische Partei inzwischen drittstärkste Kraft. Es gelingt verschiedenen rechten oder gar faschistischen Kräften, ihren Einfluß zu verstärken.

In der Bundesrepublik gab es im vergangenen Jahr teils massive Hetze gegen Flüchtlinge, es wurden sogar Unterkünfte attackiert. Wie ordnen Sie dies ein?

Diverse »Bürgerinitiativen« werden von Rechten zu rassistischer Stimmungsmache gegen Flüchtlinge benutzt. Beispiele hierfür sind etwa die Geschehnisse in Schneeberg oder auch in Berlin-Hellersdorf. Diese Entwicklungen sind sicherlich auch im Kontext der Euro-Krise zu analysieren. Nicht nur Verarmung und Sozialabbau sind Folgen der Krise, sondern auch die Zunahme von Nationalismus und Rassismus.

Die Enttarnung des NSU und der seit einiger Zeit laufende NSU-Prozeß in München sind ein weiteres Beispiel für eine aktuelle Entwicklung, bei der es der deutschen Linken nicht gelungen ist, genügend öffentlichen Druck aufzubauen, um eine vollständige Aufklärung und eine Aufdeckung der Hintergründe zu erreichen.

In Sachen NSU wurden zahlreiche Verbindungen nach Baden-Württemberg deutlich. Die VVN-BdA bezeichnete die Region kürzlich als »eine Art Wohlfühlzone« für Neonazis. Was ist bei Ihnen los?

Die Verbindungen des NSU nach Baden-Württemberg bestehen zu Personen aus der regionalen Rechtsrock­szene und zu militanten Neonazis. In einigen ländlichen Regionen im Südwesten treten Neonazis aktiv auf. Die Polizei setzt dort deren Aufmärsche gewaltsam durch, Antifaschisten, die sich wie in Göppingen dem Auftreten von Neonazis entgegenstellen, werden kriminalisiert. Gleichzeitig wird alles unternommen, um die Auftritte der Rechten zu ermöglichen.

Der Neonazi Florian Stech hatte im Oktober 2011 mit seinem Auto einen Antifaschisten schwer verletzt, er wurde in zwei Prozessen wegen »Notwehr« freigesprochen. Dieser Fall zeigt, daß Neonazis von Justiz und Polizei wenig zu befürchten haben. Vor wenigen Tagen erst wurden in Lörrach mehrere Neonazis freigesprochen, die mit Baseballschlägern eine Gruppe Antifaschisten angegriffen hatten. Gerade dort, wo es wichtig wäre, sich Neonazis entschlossen entgegenzustellen, wird von staatlicher Seite alles unternommen, um es ihnen so gemütlich wie möglich zu machen.

Welche Ausstrahlung könnte von der Berliner Konferenz auf Ihre Region ausgehen?

Europaweit und ebenso bundesweit stehen wir vor ähnlichen oder gar denselben Herausforderungen. Dennoch findet Antifa-Arbeit oft nur lokal und regional statt. Ein bundes- oder europaweiter Austausch zwischen Antifaschisten findet leider nur viel zu selten statt. Wir denken, daß wir trotz verschiedener Ausgangslagen und regional spezifischer Gegebenheiten einige Impulse vom Kongreß mitnehmen werden und diese in unsere Arbeit vor Ort und im Südwesten einfließen lassen.

Info: antifaschistische-linke.de
Kongreß »Antifa in der Krise!?« vom 11.–13. April in Berlin, www.antifa-kongress.org